Neue Gedichte aus Berlin – Herbert Friedmann spürt in seinem zweiten Gedichtband Berliner Sommer den Jahreszeiten in der Stadt nach. Mit spielerischer Sicherheit fangen die Gedichte ihre Stimmungen ein, wie mit leichter Tusche gezeichnet. Unbeschwert sind sie dennoch nicht: Ein gelber Ball, der in den Frühling springt, trifft zuweilen auf einen schmerzroten Stein. Aber wir verdanken ihnen beglückende Momente – Zeilen, die den Himmel mit der Stirn berühren, kurz den Atem und die Zeit anhalten.
DAUER DER LIEBE
Einen Atemzug länger
dauert die Liebe im Mairauschen
länger als die Erdbeerzeit im Sommerwind
dauert die Liebe unter dem Blauschwarz
der Winternacht im stillen Wachsen
dauert die Liebe auf weißen
Krähenfeldern dauert liebelang die Liebe:
wir aber können es nicht versprechen
Fremdheit und Skepsis überall, auch gegenüber der Liebe. Lebenslang dauert sie schon längst nicht mehr, nur noch „liebelang“, doch selbst da zeigt sich der Dichter zweifelnd: „wir aber können es nicht versprechen“. … Immer wieder finden sich Bilder und Sätze, die widersprüchliche Assoziationen auslösen und sich auf keine Bedeutung festnageln lassen. „Wir häuten den Stein der Weisen“ ist ein solcher Satz, der einem nachgeht, wenn man das Buch längst geschlossen hat. Das Cover sieht man dann mit anderen Augen. Noch immer blickt jemand aus dem Fenster, doch seine Phantasie, so scheint es nun, trägt ihn über die Stadt hinweg. Unbegrenzt. Frei. (Antje Telgenbüscher in Am Erker)
Edition Razamba / bod 2008, 64 Seiten, broschiert, 8 Euro.
ISBN 978-3-8370-4156-9